Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Sensory Visions, Micro-Histories

Short film program by Ukrainian artists

Programm 3

Diese experimentellen und dokumentarischen Filme agieren auf der Ebene von Erscheinungen, Phänomenen und deren Mikro-Umgebunden: Licht, Texturen, Klänge, die Beschaffenheit von Dingen und Objekten. Sie lösen Identitäten auf und erschaffen neue verstrickte Erscheinungen und Phänomene, indem sie die gewohnte Wahrnehmung der Dinge auflösen, sie ins Unheimliche kehren, durchsichtig und verträumt. Ein Generationskonflikt wird aus der Perspektive einer Packung Krawatten erzählt und die Auseinandersetzung mit Faschismus wird in einem Ordner auf dem Desktop demontiert.

English version:
These recent experimental films from Ukraine and Belarus address an experience of history on the level of phenomena and their sensuous qualities: light, textures, sounds. By giving voice to atmospheric occurrences and their micro-environments, they dissolve binary identities and construct new, entangled phenomena: Habitual perception is suspended, things become uncanny, translucent and dreamlike. “History” is dissected into multiple micro-histories: patriarchal relationships narrated through a parcel of ties; fascist discourses dissected on the operating table of a desktop archive.

(Text: Elena Vogman)

 

Die Filme / Films:

 

Responsibility - Alina Kleytman

Dieses Video zeigt den leidvollen Prozess inneren Wachstums. Ein Mädchen trägt eine lächerliche Maskerade, um zu zeigen, wie Menschen die Erwartungen anderer an sie wie Kleider tragen. Dieser Aufzug passt ihr nicht mehr. Sie ist jetzt mehr sie selbst als jemals zuvor. Hässliche Lumpen verdrehen die Wahrnehmung von ihr, entstellen. Aber sie hat nichts anderes zum Anziehen. Ihre Scham bekämpfend läuft sie weiter. An den Taschen eines Billigladens sieht man, dass sie abgebrannt ist. Finanziell oder in jeder anderen Hinsicht. In den Taschen stecken ihre Ziele, Wünsche und ihre Träume, alle irgendwie zu schwer für sie. Mit großen Mühen schleppt sie sie in die Unsicherheit, niemand wartet dort auf sie. Sie überwindet ihre Angst und geht allein weiter. Sie läuft, weil sie nicht bleiben kann. Niemals wird sie sich dieselben Dinge wieder selbst antun. Stolz.

2017 von Alina Kleytman, 5’46’’, kein Dialog

English version:
This video shows a distressing process of inmost growth. A girl wearing a ridiculous masquerade meant to show how people wear the other people’s expectations about them like dresses. The suit fits her no more, she’s now more herself than ever before. Ugly and awkward, the rags distort and misrepresent her, but she hasn’t got anything else to put on. She keeps walking, fighting her shame. The bags taken from a low-cost shop symbolize the scantness of means at her disposal, be it material ones or whatever else. The bags containing her goals, wishes, and dreams, are somewhat heavy for her to carry. With great effort, she bears them into uncertainty. There’s no one waiting for her ahead, She keeps walking on her own, overcoming her fear. She walks because she can’t stay. Never will she do the same things to herself again. Pride.

 

Territory of Empty Windows - Zoya Laktionova

Das Leben fließt in seiner alltäglichen Realität dahin, als plötzlich etwas schwer Fassbares seinen Kurs ändert. Alles was bleibt, ist in Erinnerungen einzutauchen. Hier ist alles konserviert, wie in einem Museum.

Ukraine 2020 von Zoya Laktionova, 10’30’’, Originalfassung (ukr.) mit engl. Untertiteln

English version:
Life flows in its everyday reality, but then suddenly something elusive changes its course. All that is left is the chance to plunge into memories where everything is preserved, as if in a museum.

 

Non-Binary - Yan Bachynsky

Eine körperliche Choreografie des Verlernens. Was uns die Aufklärung über die menschliche Existenz gelehrt hat, wird hier mit einer Performance des Körpers umgeworfen. Eines Körpers, der auf zwei Füßen steht.

Ukraine, 2020 von Yan Bachynsky, 5’45, no dialog

English version:
A bodily choreography of unlearning. What the enlightenment taugt us about human existence, the basis of binary condition is overthrown here by the use of body, a body exceeding two feet.

 

My Grandfather’s Skin - Yan Bachynsky

Dieses Video nutzt eine induktive Methode. Das heißt, es versucht, von einer individuellen Erfahrung aus eine gemeinsame zu beschreiben. Eine Familiengeschichte ist wahrscheinlich der beste Stoff für solch eine Untersuchung.

Ukraine, 2020, 4’45, Originalfassung (engl.)

English version:
This video uses an inductive method, which means that it starts reasoning from an individual experience and then tries to reach a collective one. The family story perhaps is a best material for such a research.

 

F-Word - Olia Sosnovskaya and A. Z. H.

Der Film bezieht sich auf die aktuellen Proteste in Belarus, auf politische Kämpfe und staatliche Gewalt in der Auseinandersetzung um den Faschismus. Die Überwindung des Faschismus war lange identitätsbildend für die derzeitige Staatsideologie in Belarus. Seit den Protesten nach den Präsidentschaftswahlen in 2020 bezichtigen sich sowohl die Protestierenden als auch die Staatsmacht gegenseitig des Faschismus. Diese Positionen werden wiederum von der akademischen Welt für ihre historischen Unwahrheiten kritisiert. Der Film verfolgt diesen symbolischen Streit und dessen politische, soziale und emotionale Auswirkungen.

Ukraine, 2020, 12’09, Originalfassung (ukr.) mit engl. Untertiteln

English version:
The video refers to the current protests in Belarus, political struggle and state violence through the discourse of fascism. The topic of fascism and victory over it has for a long time been central to the contemporary state ideology of Belarus. Since the start of the uprising after the 2020 presidential elections, both the state and the protestors accuse each other of fascism. In turn, these positions are criticized by the academic community for historical untruths. The video trace this symbolic struggle and the political, social, affective and symbolic effects it produces.

 

Letter to a Turtledove - Dana Kavelina

Die Künstlerin wollte ihre neue Arbeit eigentlich auf YouTube veröffentlichen, sozusagen als umgekehrte Geste zu dem zugrundeliegenden Material, das sie online gefunden hat. Den Film in das Programm über Krieg und Kino zu integrieren, ist ein Versuch den Entstehungsverlauf zu verändern, der als Granate ohne Ziel und ohne Opfer abgefeuert wird. Eine der zentralen Quellen von Kavelinas Arbeit ist die anonym veröffentlichte fünfstündige Dokumentation „To Watch the War“ (2018) – ein Film aus gefundenem Material.
„Letter to a Turtledove“ eignet sich also Amateurmaterial in der zweiten Ebene an, das während dem Krieg im Donbas entstand und nun in einem surrealen Antikriegs-Filmgedicht neu zusammengefügt wird. Die Kriegsvideos werden mit Kavelinas eigenen Animationen durchsetzt und mit Archivmaterial des Donbas aus den 1930ern ergänzt. Im Zentrum des Films steht ein Gedicht: ein Monolog aus dem Off, geschrieben von Kavelina selbst. Das Gedicht beschreibt die Vielzahl der Traumata, den Kummer, den Horror, die Träume und Halluzinationen, die über die Donbas-Region seit der russischen Invasion 2014 hereingebrochen sind. Dennoch haben viele dieser Elemente ihren Ursprung lange vor dem tatsächlichen Ausbruch des Krieges.

2020 von Dana Kavelina, 20’, Originalfassung (ukr.) mit engl. Untertiteln

English version:
In her film, Dana Kavelina, juxtaposes historical footage of coal mining in Donbas region with her own graphic work, poetry and found footage of the Russian military invasion into Donetsk and Luhansk in 2014. The film constructs an argument for a tragic intimacy between the body of earth and human subjectivity, it shows a continuity existing between extractivism and militarism. Kavelina's film-poem is not a plea for peace, but for love, which cannot be realized without the body that has been taken away and torn apart by war.

Tickets: 7 / 6 (erm.) / 15 (Soli-Ticket) Euro


Die Maske bleibt: Informationen zu unseren aktuellen Hygiene- und Schutzmaßnahmen hier!


#StandWithUkraine
Die Erlöse der Vorführungen werden an Organisationen gespendet, die medizinische und humanitäre Hilfe leisten oder an Organisationen, die Menschen helfen, die vom Krieg aus der Ukraine vertrieben wurden.
Proceedings from the screenings will be donated to organizations helping people who are displaced or who have fled from Ukraine.

Vergangene Termine
Mo. 25.04.2022 / 19:00 Uhr
Mi. 27.04.2022 / 19:00 Uhr